Zürich: Dolder-Zahnradbahn „runderneuert“
Text und Bilder Ruedi Baumann
Die Sache mit der Zahnstange
Anwohner und Bahnbenützer werden von der umfassenden Erneuerung
mehrheitlich zu spüren bekommen, dass der Lauf der Triebwagen sowohl im
Innen- wie im Aussenbereich ruhig geworden ist. Die Renovationsarbeiten
betreffen zur Hauptsache die Gleisanlage, deren unmittelbares Umfeld,
sowie die Stationsanlagen.
Nach der (neuen) Konzessionsvergabe im Jahre 1971 erfolgte 1973 eine
Verlängerung der Bergbahn um rund einen halben Kilometer bis in
unmittelbare Nähe der Dolder-Sportanlagen. Und aus Praxisgründen der Umbau
von einer Standseilbahn zur Zahnradbahn. Dabei kam eine
Einlamellenzahnstange System Strub zur Anwendung. Dies jedoch erstmals mit
einer von der Firma Von Roll hergestellten, unterschiedlichen
Lamellenbreite. In den flacheren Trasseeabschnitten war die Zahnstange
sehr schmal, in den steilen Sektionen breit. Die seinerzeitige Auslegung
der zu beherrschenden Kräfte und der Abnützung Zahnrad/Zahnstange
erstreckte sich vorwiegend auf die Bergfahrt.
Neu definierte Sicherheitsbestimmungen für Bergbahnen verlangen nun jedoch
dieselben Kriterien für die Talfahrt, weil bei einer Zwangsbremsung
(Überschreiten der erlaubten Geschwindigkeit, Notbremse u.a.) dieselben
Verzögerungskräfte sowohl in flachen wie in steilen Abschnitten auf die
Zahnstange wirken. Aus Kostengründen hätte der Gleisbauer die bestehende
Zahnstange, deren Lamellen logischerweise nur eine talseitige Abnützung
aufwiesen, einfach „wenden“ können. Infolge der modifizierten
Sicherheitsvorschriften musste eine vollkommen neue Zahnstange mit
durchgehender Lamellen-breite eingebaut werden.
Neuartige Weichen
Weil der Gleiskörper, beziehungsweise der ganze Oberbau hochgradig
sanierungsbedürftig war, machten die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ), welche
die Geschäfts- und Betriebsführung der Dolderbahn AG seit 1999 innehaben,
gleich Nägel mit Köpfen und führten eine Totalerneuerung inklusive
Fahrleitung durch.
Und wiederum wurde technisches Neuland betreten: Die beiden Weichen zum
doppelspurigen Kreuzungsabschnitt (Zweiwagenbetrieb) waren zuvor nach dem
Prinzip der Federzungenweichen ausgeführt. Eine höchst komplizierte
Angelegenheit bei Zahnradbahnen, die zudem extrem viel Wartung erfordert.
Eine erstmals bei den Rigi Bahnen AG angewendete Weichenkonstruktion
gelangte nun auch bei der Dolderbahn zum Einbau. Bei dieser neuartigen
Konstruktion verschiebt sich zwar der gesamte Gleiskörper nach dem uralten
Prinzip der „Schiebebühnenweiche“ seitwärts, aber im Unterschied zum
System der Zahnradbahn-Gründerjahre mit einer progressiven seitlichen
Verbiegung von Gleis und Zahnstange auf einer Länge von 15 Metern. Der
Antrieb der Schiebebühne erfolgt elektro-hydraulisch, das Umlegen dauert
sieben Sekunden und ist relativ lautlos. Ebenfalls ins Kapitel
‚Lärmdämmung’ gehört der Einbau einer zusätzlichen, elastischen
Trennschicht zwischen Zahnstange und Befestigungssattel.
Triebwagendesign wie gehabt
Von der „Runderneuerung“ der Bahn haben die beiden Triebwagen am
wenigsten sichtbares profitiert. Äusseres und inneres Aussehen ist gleich
geblieben, wenn man von einem vollständigen Neuanstrich absieht. Lediglich
die Führerstände, vom Fahrpersonal stets als zu knapp bemessen
beanstandet, konnten infolge diverser Anpassungen acht Zentimeter Tiefe
zulegen.
Das Stufenschaltrad erfuhr bezüglich Anstellwinkel und Höhe eine
praxisgerechte Änderung. Natürlich ist die gesamte Mechanik und Elektrik
überholt worden. Der Zürcher Verkehrsverbund ZVV setzte hier jedoch die
Kostenbremse an und verlangte lediglich eine „Restlebensdauer“ der
Triebwagen von (theoretisch) zehn Jahren.
Die in Einschnitten und offenen Waldlichtungen verlaufende Dolderbahn
neigt in nebligen Winternächten zu starker Vereisung der Fahrleitung.
Hochalpine Zahnradbahnen benützen deshalb zwei Stromabnehmer, wobei der
erste lediglich die Funktion eines „Eiskratzers“ wahrnimmt. Die
Dolderbahntriebwagen haben jedoch nur einen Stromabnehmer. Beim
seinerzeitigen Umbau zur Zahnradbahn installierte die
Betreibergesellschaft eine nächtliche „Fahrdrahtheizung“ vermittels eines
fliessenden Stromes. Die Vorrichtung bewährte sich nur bedingt und wurde
schon vor Jahren stillgelegt.
Wie der Betriebschef der Dolderbahn AG, Heinz Reichlin (VBZ) erklärte,
sind nun die Triebwagenführer angewiesen, bei der ersten Bergfahrt am
frühen Morgen bei vereister Fahrleitung mit möglichst geringer
Stromaufnahme zu fahren, also auch ohne elektrische Wagenheizung. Damit
wird das „Feuern“ der Stromabnehmer und das in weitem Umkreis hörbare
Knistern, beziehungsweise der Abbrand an den neuen Fahrdrähten möglichst
gering gehalten.
Zukunft gesichert – aber…
Die für 50 Jahre erteilte Betriebskonzession der Dolderbahn läuft 2021
aus, was natürlich nicht heissen soll, die rund eine Million Fahrgäste pro
Jahr müssten danach zu Fuss die 162 Meter Höhendifferenz vom Römerhof zur
Kunsteisbahn, den Sportanlagen und dem Naherholungsgebiet Adlisberg
erklimmen. Eine Neukonzession könnte jedoch, entsprechend den künftigen
Bedürfnissen und dem Stand der Technik wieder diverse Änderungen umfassen.
Nähere Informationen zum Zahnstangenweiche Rigi-VTW 2000 finden Sie
unter
http://www.rigi.ch/website/deutsch/aktuell/news/news_weiche_d.html |
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Mühsame Angelegenheit. Gleisbaumaschinen sind im steilen Gelände der
Zahnradbahn nur bedingt einsetzbar. Die meisten Arbeiten müssen wie vor
hundert Jahren per Muskelkraft erfolgen.
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Abenteuerliche Arbeitsmethode: Die Schotter-Krampmaschine wird per Seilwinde
dem Gleiskörper entlang hochgezogen. Man beachte die Verankerungen.
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Kaum zu glauben, aber diese Gleise und Zahnstange lassen sich im
Weichenbereich auf 15 Meter Länge seitlich verbiegen. Gut sichtbar die
hydraulisch angetriebene Schiebebühne.
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Die jetzige Zahnstange weist in Unterschied zur vorherigen
Lamellenzahnstange dieselbe massive Breite auf der gesamten Bahnstrecke auf.
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Die vordem allzu knapp bemessenen Führerstände haben geringfügig an Tiefe
zugelegt – aber das Stufenschaltrad ist nun praxisgerechter angeordnet.
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Die beiden Zahnrad-Triebwagen durchliefen in der VBZ-Zentralwerkstätte eine
umfassende Revision. Am „Design“ wurde aus Kostengründen nichts verändert.
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Das bergseitige Bremszahnrad. Die beiden Führungsscheiben links und rechts
des Zahnrades sind eine zusätzliche Entgleisungssicherheit. Rechts vom
Zahnrad die beiden Bandbremsen. |